Norbert Tesch verdankt seine Wahlheimat Japan einer glücklichen Verkettung von Ereignissen: Seine Reise begann mit einer Annonce für einen Tauchkurs, darauf folgten Reisen durch mehr als 50 Länder der Welt. Ein mit Wein gefülltes Paket aus der Heimat wandelte sich schließlich zur Geschäftsidee.

Ich war mit elf Jahren zum ersten Mal am Meer. Ich habe dort geschnorchelt und die Unterwasserwelt entdeckt. Das war für mich der große Change in meinem Leben. Seitdem bin ich verrückt nach dem Meer, dem Tauchen, nach dem Segeln und Inseln. Ich habe die Filme des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau aufgesogen wie ein Schwamm.

Aufgewachsen bin ich in Neckenmarkt im Mittelburgenland, fernab vom Meer. Für meine Lehre zum technischen Zeichner zog ich nach Wien. Eines Tages passierte ich dort ein Tauchgeschäft im vierten Bezirk. Neben der Auslage hing ein Zettel, auf dem „Tauchkurs“ geschrieben stand. Ich ging sofort hinein und meldete mich an. Nach der Prüfung im Februar 1983 konnte ich es nicht erwarten, tauchen zu gehen. Also flog ich für sieben Wochen nach Indien und Sri Lanka. Das war meine erste Asienreise und ich war sehr von diesen Ländern beeindruckt.

Als ich dann nach Österreich und in meine alte Arbeit zurückkehrte, fühlte ich mich plötzlich wie ein Pensionist. Nach der Reise sah ich hier keine Zukunft mehr. Wenn ich als technischer Zeichner weitergearbeitet hätte, hätte ich einen gewissen Gehalt verdient. Ich hätte geheiratet, ein Haus gebaut, einen Kredit aufgenommen, dann 20 oder 30 Jahre lang gespart, dazwischen kriegt man Kinder. Das war nicht die Zukunft für mich.

(c) Norbert Tesch

Als ich gekündigt habe, fragte mich mein Chef: „Achso Herr Tesch, habe Sie etwas Besseres gefunden?“ und ich habe geantwortet „Nein, Herr Gerhard, ich habe überhaupt nichts!“ Ich wollte einfach weg. Am nächsten Tag bin ich per Anhalter nach Holland gefahren, dann über Belgien, Frankreich und Spanien nach Marokko. Ich wollte das Leben kurz genießen und überlegen, was ich in Zukunft machen werde.

Das Leben ist verrückt. Wie alles gekommen, war purer Zufall. Ich flog im Dezember 1983 wieder nach Sri Lanka um zu überwintern. Dort stieß ich auf eine Gruppe Japaner, die mich in ihr Land einluden – da griff ein Rad in das andere über. Nach Stationen in zahlreichen anderen Ländern und einem erneuten Versuch in Österreich bin ich schließlich nach Japan gezogen und lebe dort seit 1990.

1994 gründete ich meine eigene Firma AWA in Japan und bin seitdem 100% im Weingeschäft tätig. Der Handel läuft gut! Pro Mann und Nase trinkt man in Japan zwei Liter Wein im Jahr. Österreich hat einen Schnitt von 32 Litern – das 16-fache. Da die japanische Bevölkerung aber so groß ist, trinken die Japaner in etwa so viel Wein, wie Österreich produziert. Österreichischer Wein ist ein Nischenprodukt und es gibt über 40 Importeure neben mir. Aber wir sind der größte, haben die meisten Weine und beziehen von den Top-Winzern.

Durch den Wein und durch meine Familie habe ich eine stabile Brücke nach Österreich. Vier Mal im Jahr komme ich mit Kunden her und hänge an jeden Besuch ein paar Tage in Neckenmarkt oder Wien an. Der Kontakt nach Neckenmarkt ist nie abgebrochen, obwohl ich so weit weg bin.

Wenn ich mit Freunden aus Neckenmarkt spreche, können sie sich nicht vorstellen, woanders zu leben. Sie arbeiten in Neckenmarkt und kommen aus Neckenmarkt nicht raus. Für mich ist es undenkbar, mein Leben auf nur einem Platz zu verbringen. Die Welt ist so groß und so herrlich und so unterschiedlich.

Osaka bei Nacht (c) Fumihiko Ueno

Deshalb gibt es auch so viel, was österreichische Städte oder Dörfer von anderen Regionen der Welt lernen können. Es macht Sinn, sich etwas Anderes anzuschauen, Ideen zurückzubringen und umzusetzen. Es gibt beim Essen, bei den Getränken, bei der Energie, bei der Kleidung, im Wohnbereich viel zu lernen. Die Leute müssen sich bewegen. Und das Wichtigste ist natürlich zu kommunizieren, miteinander zu reden.

Ich habe auf meinen Reisen viele Fotos gemacht und habe in meinem Dorf einen Dia-Abend veranstaltet. So habe ich den Neckenmarktern Indien, Sri Lanka, Nepal und die Philippinen, Thailand und Japan gezeigt. Viele Leute vom Dorf werden diese Orte nie mit eigenen Augen sehen. Wenn man als Reisender filmt oder Photos macht und dann den Leuten zeigt und davon erzählt, ist das schon ein guter Schritt. Es kostet kein Geld und macht Spaß, die Geschichten hinter den Bildern zu erzählen und Meinungen auszutauschen.

Wenn ich in Japan am Wochenende Zeit habe, bin ich nach wie vor am Meer tauchen. Ich liebe die Sonne, den Strand, Palmen und die Meeresluft. Österreich ist ein schönes Land. Im Sommer könnte ich hier leben, aber nicht im Winter. Ich möchte mir nur die Rosinen herauspicken. Das Leben ist kurz. Man sollte es genießen und das bedeutet für mich, viel zu reisen. Auch in Österreich gibt es dazu ein Sprichwort: Wer eine Reise tut, der hat etwas zu erzählen.