Fritz Ohler ist ein Weltenbürger. Der gebürtige Munderfinger zeigt sich aber auch fasziniert von seiner ländlichen Heimatgemeinde am Kobernaußerwald – denn hier entstehen Lösungen zu großen Fragen.

Zuerst ein paar objektive Daten: Ich bin in einem Ort aufgewachsen, der damals 99 Einwohner hatte – kein Geschäft, kein Wirtshaus, aber eine Kirche. Ich und eine Freundin waren die ersten beiden aus dieser Ortschaft Valentinhaft in Munderfing, die die Hauptschule besuchten. Mit vierzehn Jahren bin ich dann in die HTL nach Salzburg gegangen. Das war etwas ganz Exotisches. Dort begegnete ich, als ich siebzehn war, über seine Bücher einem wichtigen Salzburger: Thomas Bernhard.

Seitdem haben mich Philosophie und das Nachdenken über größere Zusammenhänge nie losgelassen. So kam ich nach einem Studium der Technischen Mathematik und einigen akademischen Umwegen zur englischen Forschungsfirma Technopolis, die sich mit Innovation, Wissenschaft und politischen Entscheidungsprozessen auseinandersetzt. 1999 kam ein Anruf, ob mich mir vorstellen könne, für Technopolis ein Büro in Wien aufzubauen. Ich hatte mit den Leuten schon zusammengearbeitet und sie mit mir. Ich sagte einfach zu: „Let’s go for it!“ Ein paar Jahre später bin ich auch einer der vier Haupteigentümer der Technopolis Group geworden.

(c) Technopolis Group

Die Technopolis Group hat heute zehn Büros in Europa und eines in Afrika und in Südamerika. Unsere Leute sprechen 35 Sprachen und wir waren im Lauf der Zeit in über 80 Ländern tätig. Durch meine Arbeit wurde ich also zum Weltbürger. Einmal habe ich in der Dämmerstunde des Silvesters meinen Kalender durchgeblättert und habe die Tage gezählt, an denen ich im vergangenen Jahr nicht zuhause war: 120. Ich hatte das goldene Flugticket. Mittlerweile haben sich die Flüge um den Faktor 20 verringert und ich bin wieder viel mehr in Wien.

Zuhause ist für mich dort, wo das Soziale stimmt und an meinem Wohnort Wien. Wien ist eine Stadt, die mich immer wieder überrascht und die ich immer neu entdecke.

Mit Munderfing verband mich in all der Zeit vor allem der Kontakt zu meiner Schwester und ihrer Familie und zu meinen alten Schulfreund Sepp Moser. Andere Beziehungen kamen episodisch hinzu: Mit dem Amtsleiter aus Munderfing und Bruder vom Sepp, Erwin Moser, verbindet mich ein Kontakt, der sich in gegenseitiger Wahrnehmung und Wertschätzung ausdrückt.

Das eine oder andere Mal konnte ich auch mein Know-how zu Innovation und Regionalentwicklung in meinem Herkunftsort anwenden. In einem Gespräch mit Erwin Moser entwickelten wir die Idee einer interkommunalen Gewerbezone. Das bedeutet, dass sich die drei Gemeinden Munderfing, Mattighofen und Schalchen zusammentun, einen gemeinsamen bevorzugten Platz auszusuchen, diesen Platz zu entwickeln und dann auch die Erträge daraus zu teilen. Anlass war die Motorradfirma KTM, die gerade am Beginn ihrer großen Expansion war.

Ich regte einen gemeinsamen Workshop an, bei dem ich mich schließlich auch einbrachte. Es wurde zwar nichts aus der Gewerbezone – aber aus Munderfing, das die Gewerbezone allein hochgezogen hat, und worüber ich als Munderfinger großen Respekt und natürlich Freude habe.

(c) Fritz Ohler am Elbrus

Im Jahr 2000 leitete ich außerdem einen Workshop für die heutige Windenergiefirma „Energiewerkstatt“ aus Munderfing, die nach einer Veränderung suchte. Das Ergebnis war einerseits, dass sie sich von ihrem Gründer trennten und sich von einem gemeinnützigen Verein in eine ganz biedere GmbH mit Erwerbsabsicht umwandelten. Und noch einen zweiten Prozess brachte ich ins Rollen: Die Mitarbeiter verdienten damals recht wenig, obwohl sie viel arbeiteten. Ich habe ihnen damals gesagt: „Alles, was ihr nicht verdient, verdienen eure Auftraggeber mit und durch euch. Also tut euch nichts an – verhaltet euch marktkonform.“ Und ich denke, auch an diesen Rat haben sie sich gehalten.

Wenn ich mir mit all diesen Erfahrungen im Rücken heute meinen Herkunftsort Munderfing ansehe, dann bin ich fasziniert! Das Munderfing von heute hat sich gegenüber dem Munderfing von vor 15 oder 40 Jahren nicht entwickelt – es hat sich neu erfunden. Nehmen wir zum Beispiel das Beibehalten des Bräuhofs. Beharrlich erhält man das Gebäude und schützt damit eine optische und symbolische Ressource. Denn wenn der Bräuhof weg wäre, wäre das ein anderer Ort ohne Zentrum, ohne Identität.

Munderfing ist neben den anderen Zukunftsorten eine Manifestation von etwas, woran ich fest glaube. Ich glaube an das Konzept der „Positive Deviance“: Wenn ein System systematisch unter etwas leidet, gibt es immer ein paar, die auch gelitten, aber eine Lösung gefunden haben. Dann gilt es, diese Lösung zu erkennen und sie anzupassen. Munderfing liefert dafür viele Beispiele. Dieser Ansatz hat viel mehr Witz, als umfangreiche Analysen zu machen.

Damit Ausheimische etwas zu dieser Positive Deviance beitragen, braucht es aber eine persönliche Verbindung zum Ort, sei es Verwandtschaft, Freundschaft oder eine gute Bekanntschaft. Ein Mentoring- oder Buddy-System für Studierende wäre eine unkomplizierte Idee, um diese Beziehungen zu erhalten. Etwa, dass Leute wie ich für die nächste oder gar übernächste Generation erreichbar sind, dass man auf ein Bier geht, ihnen zuhört, dass man manchmal einen Tipp gibt und Vernetzungen herstellt. An so einem Netzwerk würde ich mich gerne beteiligen.