Thomas Brandauer weiß genau, wo herkommt, was auf den Tisch kommt. Der Werfenwenger Ausheimische in Wien bewirtet seine Gäste mit bestem Kalbfleisch aus seiner Region. Davon profitieren Bauern und Bäuerinnen, der Gastwirt und die Gäste.

Die drei wichtigsten Dinge in der Gastronomie sind erstens Lage, zweitens Lage und drittens Lage. In den letzten zwanzig Jahren habe ich drei Gasthäuser und eine Bierbar aufgebaut. Ein Betrieb liegt gleich neben Schönbrunn, ein anderer auf der Mariahilferstraße. Durch diese einmaligen Standorte in Wien kann ich momentan zwischen 130 und 140 Mitarbeiter beschäftigen.

Dass das Geschäft so gut läuft, habe ich der stabilen Situation in Wien zu verdanken. Über das Jahr verteilt haben wir abgesehen von kleinen saisonalen Schwankungen einen kontinuierlichen Strom an Touristen. Dadurch ist es wesentlich einfacher Gastronomie für uns als für einen Saisonbetrieb in einem Skiort. Ich habe größten Respekt vor jenen, die das schaffen.

(c) Thomas Brandauer

Dass ich 1997 in Wien und nicht in einem Skiort hängen blieb, war aber nie geplant – ganz im Gegenteil. Ich komme von einem Bauernhof mit Pension in Werfenweng, einem Tourismusort in Salzburg. Es war immer mein Plan gewesen, den Betrieb und die Pension meiner Eltern zu übernehmen. Ich hätte auch gerne gastronomisch etwas daraus gemacht.

Aber plötzlich hat sich das aus familiären Gründen anders ergeben. Die Nachricht kam ganz überraschend und war am Anfang mit Schwierigkeiten und mit Schmerz verbunden. Nachdem ich aber zuvor in Wien Agrarökonomie studiert hatte, wusste ich, dass Wien ebenfalls ein guter Ort zum Leben ist.

Also bin ich 1997 in Wien als Gastronom quereingestiegen – ich bin weder gelernter Koch noch Kellner. Aber ich lernte in Werfenweng viel über das Gastgewerbe. Dort arbeitete ich auf der Skihütte und im Jägerstüberl. Auch in unserer Pension merkte ich, dass es mir Spaß macht, Leuten etwas Gutes anzubieten.

Mittlerweile habe ich mehr als die Hälfte meines Lebens in Wien verbracht. Und trotzdem blieb ich gewissermaßen ein Werfenwenger. Die Begriffsbezeichnung “Heimfahren“ gilt nach wie vor immer nur für Werfenweng. Wenn ich heimfahre, fahre ich von Wien nach Werfenweng – nie von Werfenweng nach Wien. Das Gefühl, in Wien zuhause zu sein, entsteht durch den Lebensmittelpunkt, die Familie und die Wohnung. Aber heimzukommen, da gehört einfach mehr dazu, wie die Kindheit, die Erinnerungen, die Landschaft und die alten Freunde.

Gerade anfangs habe ich noch viele Kontakte nach Werfenweng gepflegt. Ich habe über 25 Jahre bei der Musikkapelle mitgespielt. Das ist trotz meines riesigen Idealismus irgendwann nicht mehr möglich gewesen, aber die Verbundenheit ist immer noch stark. Die Musikerkollegen kamen zum Beispiel extra nach Wien, um auf meiner Hochzeit zu spielen oder die Eröffnung eines neuen Lokals musikalisch zu begleiten.

Neben familiären und freundschaftlichen Kontakten pflege ich wichtige wirtschaftliche Kontakte nach Werfenweng. Wir haben wunderbare Geschäftsbeziehungen mit einem Teil der Werfenwenger Bauern. Das gesamte Kalbfleisch in unseren Betrieben kommt ausschließlich aus Werfenweng. Alles, was wir von dort beziehen, zeichnet sich durch eine einmalige Qualität aus. Kalbfleisch ist in Wien sehr gefragt. Durch den direkten Kontakt kann ich den Landwirten einen wesentlich höheren Preis zahlen, als sie sonst am Markt erzielen könnten. Diese Fairness ist mir wichtig, da ich selbst aus einer Bauernfamilie komme.

Seit dem letzten Jahr sind wir auch Mitgliedsbetrieb der Genussregion Pongauer Wild in Salzburg. Wir machen schon jahrelang Wildwochen, aber der Qualitätsunterschied zwischen freilebendem und gezüchtetem Wild ist riesengroß. Das Pongauer Wild hat viele Partner, aber wir waren gleich im ersten Jahr der umsatzstärkste. Wegen uns wird das meiste Pongauer Wild nicht in Salzburg, sondern in Wien gegessen.

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Durch den Kontakt zu meiner Familie und regelmäßigen Besuchen verfolge ich noch sehr genau, was in Werfenweng passiert. Man sieht von Außen her den Ort von einer anderen Perspektive. Nicht umsonst gibt es das Schlagwort der „Kirchturmpolitik“: Manchmal glauben Leute, es dreht sich alles nur um die eigene Kirche. Der Blick für das Gesamte fehlt dann.

In der Gemeindepolitik fällt es daher oft schwer, Veränderungen umzusetzen: Wenn der Wiener Bürgermeister ein Alkoholverbot am Praterstern verhängt, dann wird das durchgezogen. Wenn jemand im öffentlichen Raum in Werfenweng ein Blumenkisterl aufstellen will, hat er zehn Gegner. Trotzdem gefällt mir, wie sich Werfenweng in den letzten 25 Jahren verändert hat. Ich muss wirklich sagen, dass in meinem Heimatort viel Positives geschehen ist.

Manchmal denke ich daran, wieder mehr Zeit in Werfenweng zu verbringen. Es gibt für mich verschiedene Regionen auf der Welt, die mir sehr nahe liegen. Irgendwann wird mein Leben so sein, dass ich ein Drittel im Ausland verbringe, ein Drittel in Wien und ein Drittel in Werfenweng. Ganz möchte ich das Stadtleben nicht aufgeben. Die Vorteile, die eine Stadt bietet, bin ich mitterweile gewohnt. Und der größte Vorteil ist die Anonymität. Ein Leben abseits von neugierigen Nachbarn – das ist natürlich ein Stück Freiheit.