Als Jugendliche konnte es Maria Lipp kaum erwarten, von Bad Blumau in die Welt hinauszuziehen.  Nach 29 Jahren in der Wüstenstadt Dubai kehrt sie nun zurück in das steirische Grün.

Als ich das erste Jahr gemeinsam mit meinem Mann in Dubai verbrachte, zog ich jeden Morgen in unserer Wohnung die Vorhänge zurück und sagte „Oh, die Sonne scheint!“ Bis mein Mann meinte: „Liebling, das ist hier so. Es gibt kein anderes Wetter.“

Anfangs gingen mir Regen oder Schnee in Dubai nicht ab. Aber je länger wir weg waren, umso stärker wurde die Sehnsucht. Der Geruch, wenn es an einem Sommertag regnet und dampft, dieser Geruch ist für mich Heimat. Heimat ist auch, durch den Wald zu gehen und die Blätter rauschen zu hören. Ich bin ein sehr naturbezogener Mensch und kann diese Gefühle, Gerüche und Geräusche jederzeit abrufen. Wenn ich etwa an das Fallen der Schneeflocken denke, werde ich ruhig.

Mein Mann und ich lernten uns kennen, als ich als Flugbegleiterin für Austrian Airlines arbeitete. Er war damals in Kuwait tätig, kurz vor dem Krieg. Durch die Unruhen in Kuwait waren wir kurzfristig getrennt – und danach keinen Tag mehr in unserem Leben.

(c) Maria Lipp

Aus beruflichen Gründen zogen wir nach Dubai und blieben auch dort. In der Wüstenstadt verbrachten wir die vergangenen 29 Jahre. Von dort aus etablierten wir eine Firma für Training im IT-Sektor im Mittleren Osten, Europa und Südafirka und zogen unsere Tochter groß. Vor 15 Jahren wäre es unmöglich gewesen, wegzugehen. Wir mussten in der Firma präsent sein, um Stimmungen im Team wahrzunehmen und mit Geschäftspartnern in direkten Kontakt zu bleiben.

Jetzt gehen wir alle zurück nach Österreich. It is time to go back to the roots! Zeit, zu den Wurzeln zurückzukehren.

Und meine Wurzeln liegen in der Steiermark. Ich wurde vor 54 Jahren in Graz geboren. Meine Familie hat erst in Fürstenfeld gewohnt. Als ich 16 Jahre alt war, zogen wir in das kleine Dorf Bierbaum in Bad Blumau, wo meine Mutter das Haus meines Großvaters erbte. Ich fand es dort immer schon sehr romantisch. Ich war als Teenager viel in Wald und Wiese unterwegs, aber nie in den Diskos.

Trotz dieser Verbundenheit zu Bierbaum war ganz klar, dass ich mit 18 das Dorf verlassen muss. Ich wollte als junger Mensch nur weg, hinaus in die Welt. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich überhaupt jemals zurückkommen würde. Aber so ist das, wenn man jung ist: Man möchte etwas erleben, etwas tun, etwas sehen.

Dieses Fernweh war immer schon Teil von mir. Ich sparte schon in jungen Jahren mein ganzes Geld um zu reisen und arbeitete jeden Sommer im Ausland. Als 19-Jährige ging ich für ein Jahr nach Venezuela, um dort Spanisch zu lernen und bei einem entfernten Bekannten zu arbeiten. Venezuela war damals wie heute kein sicheres Land. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, dass etwas schiefgehen könnte. Das war naiv, aber letztlich war die Zeit in Venezuela eine tolle Erfahrung.

Zuerst blieb ich über Briefe mit meinen Eltern und Freunden in Kontakt. Später besuchten wir Österreich einmal im Jahr. Das war schön, aber ebenso anstrengend. Unsere Verwandten erachteten es immer als normal, dass wir sie besuchen kommen und nicht umgekehrt. Weil wir weggezogen sind, lag die Bringschuld bei uns. So blieb viel Zeit auf der Strecke zwischen Verwandtschaftsbesuchen liegen.

Jetzt ist das alles anders. Die letzten drei Jahre verbrachten wir sehr viel Zeit in Bad Blumau. Meine Mutter ist älter geworden, daher pflegen wir nun für sie den Garten, die Obstbäume, die Wiesen und den Wald. Wir haben unsere Positionen in der Firma zum Großteil zurückgelegt. Wären wir erst vierzig Jahre alt, müssten wir hier wieder Arbeit finden. Anders als vor 15 Jahren sind wir nun in der Lage, nach Bierbaum zurückzukehren.

Heute sehe ich Österreich mit anderen Augen. Was mich manchmal stört, ist die Jammerei. Ich bin das nicht gewohnt. In Dubai musst du dir alles selbst organisieren und erarbeiten. Dort fängt dich der Staat nicht auf. Wir haben viele wirklich arme Menschen erlebt, die dennoch positiv auf das Leben blicken. Da ist es schwer mitanzusehen, wie sich Menschen in Österreich über Nichtigkeiten beschweren.

(c) Maria Lipp

Was ich an Dörfern und kleinen österreichischen Gemeinden und Städten aber schätze, ist der Zusammenhalt. Das finde ich schön. Auch Kinder, die in einem Dorf aufwachsen, sind durch diese Beziehungen viel gefestigter und gestandener als die Kinder in Dubai.

Auch für Bad Blumau würde ich mir wünschen, dass alle an einem Strang ziehen. Bad Blumau ist wunderschön, aber man müsste es wieder beleben und die Gemeinschaft entwickeln. Da gehört Leben hinein, da gehört Pepp hinein. Mein Mann und ich reden öfter darüber und spinnen unsere Gedanken weiter, was man für den Ort tun könnte.

Es bräuchte einen Wirt, der alle Menschen zu sich ins Lokal zieht und damit verbindend wirkt. Oft helfen auch Vereine und Sport, um verschiedene Menschen zusammenzubringen. Vielleicht bräuchte es auch eine neutrale Person von Außen, welche hilft, verschiedene Personengruppen zusammenzuführen.

Dass junge Menschen aber erst einmal ein paar Jahre in die Stadt gehen wollen, finde ich ganz natürlich. Wenn sie dann aber zurückkommen möchten, bräuchten sie eine gute Verkehrsanbindung an die Städte. Ein großer Anreiz wäre es sicher auch, in die Kinderbetreuung zu investieren. Wenn man hier mehr bieten kann, als in den Städten, kann man Leute vielleicht eher halten. Denn es braucht heute zwei Gehälter, um eine Familie zu versorgen. Die Leute müssen Geld verdienen. Erst danach kommt die Frage „Wo fühle ich mich wohl?“