Eine halbe Woche in der Welt, eine halbe Woche in Wien – Dominik Hofers Leben als Unternehmensberater ist bewegt. Einmal im Monat stoppt er den Trubel: In seinem Herkunftsdorf Raiding im Mittelburgenland geben ihm Vereine und vertraute Gesichter Ruhe und Bodenhaftung.

Wenn man so wie ich jede Woche im Ausland arbeitet und das Fliegerdröhnen noch in den Ohren hat, dann weiß man die Zeit am Land so richtig zu schätzen. Wenn ich in meinen Herkunftsort Raiding zurückkomme, dann freue ich mich zuerst einmal, wie gut es dort riecht. Die Luft ist deutlich besser. Und dann treffe ich unmittelbar Freunde und Familie und setzte mich mit ihnen beim Heurigen zusammen. Die bekannten Gesichter sind der schönste Teil am Heimkommen.

Ich arbeite bei einer großen internationalen Unternehmensberatung. Reisen ist ein zentraler Teil unserer Arbeitsweise. Wir beraten Kunden bei allen Themen, in allen Industrien, in allen Problemstellungen. Von Montag bis Donnerstag bin ich beim Kunden vor Ort, um mit ihm zusammenzuarbeiten und persönlich präsent zu sein. Seit ich als Unternehmensberater arbeite, war ich beruflich schon in Frankfurt, München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, London und Paris unterwegs. Am Donnerstagabend fliege ich zurück nach Wien, wo ich lebe.

(c) Dominik Hofer beim Warten auf das verspätete Flugzeug.

Ich habe Raiding mit 19 Jahren verlassen. Zunächst war ich beim Bundesheer, dann habe ich in Wien studiert und habe zwei Auslandssemester in den USA absolviert. Schließlich bin ich beruflich in Wien hängengeblieben. Ich fühle mich mittlerweile auch in der Stadt daheim. Wien ist wunderschön. Gerade, wenn man schon ein wenig in der Welt unterwegs war, weiß man das zu schätzen. Aber wenn ich sagen müsste, wo mein Zuhause ist, dann ist die Antwort auf jeden Fall Raiding.

Wenn ich etwa einmal im Monat nach Raiding komme, dann umgeben mich Menschen, die ich im Prinzip schon immer kenne und die mich schon immer kennen. Da kann ich sein, wie ich bin. Es macht keinen Sinn, mich zu verstellen – sie kennen mich sowieso. Das nimmt irrsinnig viel Druck raus.

Ich wusste immer schon, dass ich einmal für das Studium aus meinem Herkunftsort weggehen muss. Das unterscheidet mich von vielen meiner Freunde. Viele meiner Altersgenossen und Jugendfreunde sind in handwerkliche Berufe gegangen und haben dann Jobs in der Umgebung gefunden.

Im Dorf war ich der Wiener Student und in Wien war ich der burgenländische Bauernbub. Unter der Woche diskutierten wir im Studium Derivate, Optionen und Anleihen. Dann kommt man am Freitagabend heim und die Themen wechseln. Beim Heurigen diskutiert man nicht, welche Corporate Bonds gerade gut sind.

Stadt und Land waren schon immer ein Kontrast, aber einer, den ich sehr genieße. Es gibt Leute, die sind grundsätzlich skeptisch, wenn sie hören, dass jemand in Wien lebt. Aber wenn man dann bei Vereinen dabei ist und man sich viel engagiert, hört man bald: „So zwieder ist der gar nicht!“

Bei der weihnachtlichen Vereinsarbeit, (c) Dominik Hofer

Mir ist es auch wichtig, Traditionen im Ort zu pflegen. Man muss nicht alles so wiederholen, wie es immer schon war. Aber Traditionen geben auch Wurzeln und Stabilität. Ich engagiere mich nach wie vor in Raiding in einem Jugendverein, wo wir traditionelle Feste wie Osterfeuer, Maibaumaufstellen und Fasching feiern. Bei Festen und Tätigkeiten war ich immer dabei. Ich habe auch lange Zeit Fußball gespielt. Außerdem bin ich in der Kirche Lektor und halte dort immer wieder die Lesungen. Das ist für mich einer der größten Ruhepole. Aktive Vereine sind für mich ein Zeichen eines gesunden Gemeindelebens.

Seit 2009 bin ich im Gemeinderat tätig. In Raiding, wie in vielen kleinen Dörfen, zählt ja oft das Prinzip: „Das haben wir immer schon so gemacht und deswegen machen wir es auch dieses Mal wieder so.“ Bei Sitzungen bin ich oftmals der Quergeist, der sagt: „Das könnten wir anders machen, wir könnten ja etwas Neues ausprobieren.“ Die Ideen kriege ich natürlich von Außerhalb, weil ich etwas Interessantes irgendwo anderes gesehen habe. Ein paar Jahre ist es her, da haben wir auf meine Initiative unsere Wanderrouten und Laufrouten in einem Folder neu und attraktiv präsentiert.

In einer Stadt wie Wien wird jungen Menschen viel geboten. Da kann ein Dorf nicht mithalten, da können auch mehrere Dörfer im Verbund nicht mithalten. Das heißt nicht zwingend, dass das besser ist oder dass jeder dieses Angebot braucht. Ich kann mir gut vorstellen, dass technische Möglichkeiten die Landflucht langfristig stoppen. Etwa, wenn es dann wirklich einmal selbstfahrende Autos gibt. Auch die Möglichkeit zum Homeoffice wäre eine gute Chance, um vom Land aus zu arbeiten. Sinnvoll wären auch Konzepte, wie man in Wien temporär wohnen kann, wenn es im Büro in der Stadt einmal länger dauert.

Ich merke es selbst – so viel herumfliegen ist ziemlich anstrengend. Wenn das viele Reisen einmal wegfällt, bleibt mir Zeit, um mehr für das Dorf zu machen. Ich würde gerne das, was ich woanders gesehen und gelernt habe, auch in Raiding einbringen; nicht nur Ideen geben, sondern auch aktiv mithelfen. Ich will nicht nur aus der zweiten Reihe einflüstern, sondern auch sagen können. „Was brauchen wir, was können wir machen, ist es sinnvoll?“ – und es dann umsetzen.