Durch ihre große Neugier fand Sophia Eham an vielen Orten der Welt ein Zuhause. Die Sehnsucht nach Wurzeln führte ihre Nomadenseele wieder zurück an den Tegernsee. 

Bereits während der Schulzeit hat sich mein nomadisches Dasein angekündigt – ich war ständig auf der Suche nach Wegen, um aus meiner Heimat, dem bayrischen Tegernsee, rauszukommen und meine Sommer im Ausland zu verbringen. Meine ersten Arbeitserfahrungen im Ausland verknüpfte ich mit Sprachkursen. Ich war überzeugt, dass Sprachen die Tore zu neuen Kulturen sind. Noch am Tag meines Schulabschlusses fuhr ich mit gepackten Koffern zum Flughafen und verließ Deutschland, voller Vorfreude auf die Welt da draußen.

Meine Neugier brachte mich nach Madrid, Viña del Mar in Chile und schließlich nach Barcelona, um dort Industrial Design zu studieren. Dass Südamerika nach Abschluss meines Studiums und einem Aufenthalt in Italien erneut mein Zuhause werden würde, war nicht geplant. Ich hatte ein Jobangebot in London und der Umzug in den Norden sollte demnächst stattfinden. Davor wollte ich aber noch Sonne tanken – kurzer Hand besuchte ich meinen Bruder und Freunde in Rio de Janeiro.

Dann ging alles sehr schnell und meine Zukunft nahm einen ganz anderen Lauf: Ich war im Urlaub und ließ mich durch die hektischen Gassen des heiß-schwülen Rio treiben. Zufällig landete ich vor dem Garagentor eines Designbüros, von dem mir kurz zuvor eine Freundin erzählt hatte. Überrascht von diesem Zufall, beschloss ich anzuklopfen und „Olá!“ zu sagen. Was konnte schon passieren?

Dieses einfache „Hallo“ sollte meinem Leben einen ganz neuen Drall geben. Ich kam mit den Designern des Studios ins Gespräch. Sie waren zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach einer Person für ein Projekt und fragten prompt, ob ich Interesse hätte. Hier in dieser abenteuerlichen Stadt direkt am Meer zu leben, statt ins kalte London zu ziehen? Ich konnte nicht ‚Nein’ sagen!

Auch wenn das geplante Projekt aus bürokratischen Gründen nicht realisiert wurde, war meine Entscheidung zu bleiben fix. Pünktlich zur Karnevalsaison angekommen, tauchte ich tief in das brasilianische Leben ein. Bald begann ich als Selbstständige an diversen Fotografie- und Webdesign-Projekten mitzuarbeiten und nebenbei an der Visual Arts School wieder zu studieren. Aus einem Urlaub wurden so fünfeinhalb Jahre.

Karneval in Rio. (c) Sophia Eham

Wenn ich heute an die Zeit in Rio zurückdenke, erkenne ich welche Befreiung das Leben dort für mich war. Natürlich hat mich das auch als Künstlerin beeinflusst. Meine Arbeiten wurden viel farbenintensiver, die üppige Natur und das Licht spielten plötzlich eine große Rolle. Vor Rio hatte mich das Gefühl fest in der Hand, dass meine Kunst einen bestimmten ‚Sinn’ ergeben müsse. Auf der Visual Arts School lernte ich, dass man sich selbst auch erlauben darf, frei inspiriert, fern ab von kommerziellen Gedanken zu experimentieren.

Rio war sicherlich eines der spannendsten und abenteuerreichsten Kapiteln meines Lebens. Trotzdem beschloss ich im März 2016 zurückzukehren. Die Beziehung mit meinem damaligen Freund in Rio endete und ich spürte, dass es an der Zeit war, wieder in meine Heimat zurückzukehren. Immer stärker wurde das Bedürfnis, meiner Nomadenseele auch Wurzeln zu geben.

Natur als Inspirationsquelle für Sophias Kunst. (c) Sophia Eham

Heute habe ich das Glück sowohl am Land als auch in der Stadt leben zu dürfen. In Tegernsee arbeite ich im Holz- und Innenarchitekturbetrieb meines Vaters mit. Auch die Wochenenden verbringe ich meist am Land. Im Sommer habe ich mit FreundInnen eine Yoga-Gruppe ins Leben gerufen, die jeden Samstag am See Yoga macht. Die restlichen Tage arbeite ich in München als Innenarchitektur-Fotografin und freie Künstlerin im Kollektiv ‚the stu’.

Bei der Arbeit. (c) Sophia Eham

Durch die Zeit im Ausland habe ich völlig neue Dinge schätzen gelernt. Zum einen erkenne ich heute die hohe Lebensqualität hier und wie wichtig die zyklische Veränderung der Jahreszeiten für mich ist. Aber auch Faktoren wie wirtschaftliche, politische und institutionelle Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung haben einen völlig neuen Stellenwert für mich bekommen. Besonders beruflich weiß ich heute eine gewisse Sicherheit zu schätzen. Denn manchmal ist aus der Lässigkeit im brasilianischen Künstlermilieu Unzuverlässigkeit geworden.

Durch meine Erfahrungen kann ich Impulse für die Zukunft in meiner Heimat setzen. Ich denke da vor allem an das Kulturleben, das ich durch zukünftige Projekte mit aufrecht erhalten möchte. Ich sehe auch einen Bedarf nach mehr unkonventionellen, freien Räumen, die Begegnungen ermöglichen. So bleibt die Region auch für junge Menschen attraktiv.

Ich definiere mich gerne als Rückkehrerin. Heimkehren hat für mich viel mit Geborgenheit und Bodenständigkeit zu tun. Durch das Weggehen habe ich erkannt, dass Heimat auch bedeutet, ein weniger kompliziertes Leben zu führen. Mit Rückschrittlichkeit hat das aber nichts zu tun. Denn Rückkehren bedeutet nie, dass man zukünftig nicht wieder weiterziehen wird.