Lucy Wilhelms Stoffkreationen schafften es bereits auf die großen Modemessen in Paris. Ihr Gespür für Trends etablierte sie in der internationalen, „ein bisschen schrulligen“ Welt des Textildesigns. Vor drei Jahren endete ihr kreatives Nomaden-Dasein durch England, Italien und Deutschland und fand in ihrer Heimat Mondsee eine stete Bleibe – denn auch hier gibt es Kreativarbeit auf Weltniveau.

 

Meine Mutter ist Engländerin, mein Vater ist Österreicher. Ich und meine Geschwister waren immer Einflüssen aus verschiedenen Kulturen ausgesetzt. Dadurch haben unsere Eltern uns in die Wiege gelegt, ohne Scheuklappen zu denken. Wir Kinder haben uns durch verschiedenste Mittel ausgedrückt, sei es Musik, Zeichnen, Bewegung oder Schauspiel.

Ich bin beim Textildesign im weitersten Sinn gelandet: Ich entwickle Muster aller Art, sei es für T-Shirts, Produktverpackungen oder Wanddekoration. Außerdem sage ich für Firmen Trends voraus und berate bei der Produktinnovation. Textildesign ist ganz eigener Bereich und die Leute sind ein bisschen schrullig. Aber es ist schön, mit einem so vielfältigen Material zu arbeiten.

 

Ich mache Dinge nur, wenn mein Herz dabei ist Ich wollte immer schon in England studieren, weil meine Wurzeln dort sind. Nachdem mir ein Freund von der Nottingham Trent University vorgeschwärmt hat, habe ich dort mein Bachelor- und Masterstudium in Textildesign gemacht. Damit habe ich mir einen langjährigen Wunsch erfüllt.

Auch Italien hat mich als Person gefordert und geformt. Ich durfte dort durch das Förderprogramm International Talent Support (ITS) bei Friulprint meine eigene Kollektion entwerfen und produzieren. Das war für mich die erste Anerkennung als junge Designerin. Als Studentin hat mich fasziniert, wie der Gründer, ein erfahrener Textildesigner, nach all den Jahren mit so viel Liebe seine Arbeit macht und immer neueste Techniken ausprobiert. Auch Deutschland war für mich ein spannendes Land, um als junge Kreative tätig zu sein.

 

Im Ausland lernt man umzudenken, sich anzupassen und Rückmeldungen anzunehmen. Dadurch habe ich auch verstanden, wie viel Qualität Österreich hat. Das Handwerkslevel, ob jetzt mit der Computer-Maus oder mit dem Hammer, ist in Österreich extrem hoch. Für die Größe, die wir als Land haben, haben wir ziemlich viel Talent.

In meiner Zeit im Ausland musste ich immer in regelmäßigen Abständen zurück nach Österreich, um mich zu erden. Dieser Geruch vom eigenen Land, wenn man aus dem Flugzeug aussteigt, hat mir immer extrem viel bedeutet. Ich hatte immer die Vorstellung, dass ich Mitte dreißig zurückkomme, hier eine Familie gründe und von hier aus kreativ sein kann. Ich habe es ein paar Mal probiert, aber jedes Mal kam sofort ein Angebot aus dem Ausland. Diese Möglichkeiten waren so interessant, dass ich sie nicht ausschlagen konnte.

2014 bin ich aber einem Angebot nach Österreich zurückgefolgt. Das Hans-Peter Porsche Traumwerk brauchte damals für einen Ausstellungsraum über Modelleisenbahnen und Blechspielzeug kreative Unterstützung – wir entwarfen von Kinderartikeln bis Malbücher und T-Shirts bis zur Wandgestaltung der Ausstellung. Das „TraumWerk“ ist ästhetisch top. Man könnte es nehmen und in Barcelona oder New York platzieren.

Andere Angebote folgten. Und dann dachte ich mir: Wenn ich gar nicht ins Ausland muss, um kreativ zu arbeiten – dann bleibe ich eben hier! Es gibt Leute am Land, die Arbeiten auf Weltniveau produzieren.

Vor einem Jahr gründeten ich und vier andere Kreative den Verein QUER.LAND. Wir vernetzen Kreativschaffende am Land und zeigen Firmen im Umkreis, dass sie nicht immer auf Kreative aus Wien oder Berlin zurückgreifen müssen. Es gibt in der Gegend alles vom Holzkünstler und Graphic Recording bis hin zur Werbeagentur oder Lithografin.

Unsere Basis liegt in Thalgau, weil die Location perfekt war und die Gemeinde sehr offen denkt und viel junges Talent fördert. Der Bürgermeister überlegte schon in der Anfangsphase, was er tun kann, um uns eine Möglichkeit zur Entwicklung zu bieten. Das macht eine Gemeinde interessant – wenn sie einem nicht von Beginn an Kosten oder bürokratische Barrieren auflädt.

(c) quer.land

Der Verein QUER.LAND ist aktiv und wächst. Bei uns geht es nicht darum, dass sich Leute innerhalb der Gruppe profilieren. Stattdessen kümmern wir uns um die Bedürfnisse Kreativer am Land und decken Potentiale auf. Zum Beispiel erkundeten wir bei einem Innovationstag, wie sich das Werkschulheim Felbertal den Entwicklungen der Zeit anpassen kann oder was in einem leer stehenden Spar-Supermarkt Neues entstehen könnte. Bei diesem „QUER.DENKEN“-Event waren verschiedene Parteien eingeladen, die Zukunftsideen ausarbeiteten.

Was noch fehlt ist eine Plattform oder Veranstaltung für Kreative am Land, wo sie ihre Arbeit auf ästhetisch ansprechende Art und Weise zeigen können – etwas, dass es auch mit Veranstaltungen in London aufnehmen könnte. Ich würde mich auch freuen, wenn wir am Land manchmal dieselbe Anerkennung für unsere Arbeit bekommen würden, wie wir sie in der Stadt bekommen – dort hört man manchmal ein „Wow!“.

Aber ich bin zufrieden mit meiner Situation. Ich lebe am Land und hole mir die Stadt, wenn ich sie brauche. In einer Stadt wie London wurde ich bombardiert mit Ideen. Aber meistens war ich dort so überlastet mit den ganzen Eindrücken, dass es mir gut getan hat, wieder in Mondsee zu sein. Hier sind die Ideen anderer Natur. Ich kann stärker reflektieren und habe mehr Ruhe zum Denken. Deswegen ist es hier eine andere Form von Kreativität. Ich habe hier am Land noch nie das Problem gehabt, dass ich keine Ideen habe.