Der Nenzinger Markus Burtscher zog vor fünf Jahren für sein Bauingenieursstudium nach Graz. Felix, ebenso aus Nenzing, übersiedelte erst vor einem halben Jahr in die über 400 km weit entfernte Stadt, um Maschinenbau zu studieren.
Ihre Heimatgemeinde Nenzing pflegt einen innovativen Ansatz, wenn es darum geht, BürgerInnen mittels neuer Medien über das Gemeindegeschehen zu informieren. Ein YouTube-Kanal gibt Einblick, wie die Gemeinde ihre Ökobilanz verbessert, das multikulturelle Zusammenleben in der Gemeinde fördert oder auch bisherige Formen des Wirtschaftens hinterfragt.
Wir haben die beiden Ausheimischen in Graz getroffen und über ihre Beziehung zur Heimatgemeinde, über die laufenden Projekte Nenzings sowie über ihre Zukunft gesprochen.
Zwischendurch haben wir uns gemeinsam den Nenzinger YouTube-Kanal angesehen und ihre „Blicke von außen“ auf einige Projekte eingefangen.
Ihr lebt zur Zeit beide in Graz. Welche Bilder sind es, die vor euch auftauchen, wenn ihr an Nenzing denkt?
Markus: Ich denke an die Sportstätten, an den Fußballplatz und das Schwimmbad. Dort habe ich die meiste Zeit verbracht.
Felix: Ja stimmt, bei mir ist es auch das Schwimmbad. Und die Bäckerei Münsch. Nirgendswo gibt es bessere Krapfen.
Wie oft seid ihr noch in Nenzing?
Markus: Zu Hause in Nenzing bin ich in etwa noch drei bis vier Mal im Jahr.
Felix: Ich bin noch recht viel in Nenzing. Immer wenn Ferien sind, oder es Anlässe wie Bälle oder Geburtstage gibt.
Wie stark ist eure Verbindung zu Nenzing noch?
Markus: Meine Verbindung zu Nenzing ist noch sehr stark, hauptsächlich durch meine Familie, die noch dort lebt. Durch sie bleibe ich am Laufenden. Während der ersten drei Jahre in Graz habe ich auch noch Fußball in Nenzing gespielt. Über Vereine involviert zu bleiben ist aber schwierig, wenn du weg bist. Außerdem arbeite ich bei einem Nenzinger Statikbüro, das zum Beispiel auch bei der Renovierung des Sozialzentrums involviert ist.
Felix: Meine Verbindung zu Nenzing ist auch noch sehr stark. Fast alle meiner Freunde sind noch dort. Über sie und über meine Familie habe ich viel Kontakt nach Hause. Ich bin auch noch ein wenig über Vereine involviert: Den Alpenverein und den Laufclub Beschling.
Sehen wir uns zunächst ein paar Videos zu Projekten in Nenzing am gemeindeeigenen YouTube-Kanal an. Kanntet ihr diesen zuvor?
Markus: Nein, noch nicht.
Felix: Ich auch nicht.
Zum Projekt „Architekturwettbewerb“ mit der lokalen HTL:
Markus: Am Fußballplatz braucht es ein neues Clubheim. Ich finde es gut, dass hier die HTL einbezogen wird – in der ich übrigens auch selbst war. Wir waren in ähnlichen Projekten involviert. In meinem Fall war es das Kinderhaus in Frastanz.
Felix: Ich war im Gymnasium. Ich denke, solche praxisbezogenen Projekte in der Region wären auch für uns interessant gewesen, da es hier nicht nur bautechnische Aspekte gibt.
Zum Projekt „Nenzing spricht mehr“:
Felix: Ich kenne diese Schilder vor der Volksschule! Allerdings hielt ich die bunte, vielsprachige Begrüßung bislang eher für ein Art Kunstprojekt. Dass das Thema der Sprachenförderung aber in Nenzing so ernst genommen wird, war mir nicht bewusst. Jedenfalls ist das eine sehr gute Idee, früh viele Sprachen zu lernen und nicht nur deutsch.
Markus: Das halte ich auch für eine sehr gute Idee, denn Kinder lernen viel einfacher als Erwachsene. Wenn Kinder heute bereits zwei- oder dreisprachig aufwachsen, werden sie als Erwachsene davon profitieren.
Zum Projekt „Gemeinwohlzertifizierung für Nenzing“:
Markus: Es ist schön zu sehen, dass Nenzing bei so etwas Vorreiter ist. Ich stelle es mir schwierig vor, die Kriterien für das Gemeinwohlzertifikat zu erfüllen. Ich höre davon zum ersten Mal und glaube auch nicht, dass jemand in meinem Bekanntenkreis weiß, dass Nenzing nun diesen Weg geht. Bis Menschen so etwas erfahren und dann in ihrem Alltag einen Unterschied merken, dauert es oft lange.
Felix: Dass eine so kleine Gemeinde österreichweit dieses Ziel als erstes erreicht, hätte ich nicht gedacht! Man muss sicher genau hinsehen, wie das umgesetzt wird. Aber wenn das Handeln nach der Gemeinwohlökonomie in der Gemeinde wirklich funktioniert, dann ist das genial!
Zum „Geissenprojekt“:
Markus: Sehr schön, wenn nicht alles verbaut wird! Ich merke das mittlerweile stark: Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, stehen neue Einfamilienhäuser oder Wohnanlagen. Wenn die Gemeinde es auf diesem Weg schafft, Flächen freizuhalten, dann finde ich das sehr gut!
Felix: Außerdem ist das eine witzige Art, das Problem zu lösen. Ich habe noch nie von dem Projekt gehört, aber bei uns in Nenzing gibt es so viele Geißen, da sieht man nicht, ob eine Geiß „einfach so“ oder mit einem bestimmten Auftrag herumsteht. (lacht)
Was von dem, was ihr gesehen habt, überrascht euch?
Markus: Am meisten überrascht mich die Vorreiterrolle beim Gemeinwohlgedanken. Dass die Gemeinde so viel macht, das überrascht mich ehrlich gesagt auch. Das ist nicht selbstverständlich.
Felix: Von den meisten Projekten hier habe ich noch nie gehört. Die Vision des Gemeinwohls überrascht mich auch am allermeisten. Besonders, dass ich das nicht stärker mitbekommen habe, denn das ist wirklich eine große Errungenschaft. Die anderen Projekte sind weniger überraschend, aber coole Ideen und zum Teil witzig gelöste Problemstellungen.
Was davon sind Themen, die euch persönlich ein Anliegen sind?
Markus: Alles, was mit Kindern zu tun hat, ist mir sehr wichtig. Seien es Angebote in der Tagesbetreuung, oder eben auch deren frühe Sprachförderung. Die Hauptanliegen hängen natürlich von der individuellen Lebenssituation ab. Irgendwann benötige ich ja vielleicht das Essen auf Rädern, oder einen Platz im Sozialzentrum. Generell ist es schön zu sehen, dass sich Nenzing gut um Jung und Alt kümmert.
Felix: Ich finde es super, dass sie für Bauprojekte die ansässige HTL dazu holen. Solche Projekte vermitteln früh eine Vorstellung, wie es im Berufsleben später laufen könnte. Das ist für die jungen Menschen der Region wichtig. Ich glaube, dass so eine Beteiligung dazu führt, dass die Beziehung zum Bauprojekt und damit möglicherweise auch zum Ort gestärkt wird.
Am wichtigsten finde ich aber die frühe Sprachförderung. Lebt man multilingual, ist man klar im Vorteil.

Zum Interview mit Felix und Markus in Graz.
Stellt euch vor, ihr seid ab sofort die Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit in der Gemeinde Nenzing. Was würdet ihr unternehmen, um Ausheimische wie euch zu erreichen?
Markus Außerhalb von Social Networks ist es schwierig, junge Leute wie uns zu erreichen. So würde man erfahren welche Projekte in Nenzing zur Zeit laufen und in welchen Projekten auch Nenzing involviert ist. Das wären Inhalte die mich interessieren würden.
Felix: Ich denke mit YouTube erreicht man nur die „YouTube-Generation“. Generell nutzen Facebook sicher mehr Leute. Ich würde die YouTube-Videos auf der Facebook-Seite einbetten. So erreichen die Videos sicher viele Menschen.
Mich würden am meisten Nachrichten zu Veranstaltungen im Ort oder auch zu geplanten Bauprojekten interessieren.
Welche Zukunft wünscht ihr euch für Nenzing?
Markus: Ich wünsche mir, dass nicht alle Flächen verbaut werden. Außerdem fände ich es toll, wenn weitere Infrastrukturen für Soziales geschaffen werden. Dass das Naturschutzgebiet „Nenzinger Himmel“ gepflegt wird, ist auch ganz wichtig! Sonst kann ich eigentlich nur sagen: Macht weiter wie bisher! Die Gemeinde Nenzing engagiert sich stark. Schön wäre es, zukünftig mehr über Projekte, wie die heute gesehenen, zu erfahren.
Felix: Vielleicht hört nicht jeder vom Geissenprojekt oder der Gemeinwohlzertifizierung, aber das macht nichts, denn es verbessert trotzdem das Leben vor Ort. Und da zählt jedes kleine Projekt. Am Schluss profitieren ja alle indirekt irgendwie davon. Zukünftig fände ich es auch interessant, mehr über solche Projekte zu hören.
Seht ihr euch als Teil der Zukunft Nenzings?
Markus: Ja! Ich werde auf alle Fälle wieder zurück nach Nenzing gehen. Ich habe dort alles an einem Ort: Kollegen, Freunde und Familie. Gleichzeitig kommt man von dort überall schnell hin, egal ob mit der Bahn oder dem Auto. Ich wüsste nicht, wo ich lieber hingehen würde. Vielleicht werde ich Fußballtrainer für Kinder, um etwas zurück zu geben, von dem ich Jahrelang profitiert habe.
Felix: Wir Nenzinger sind Stubenhocker (lacht). Wir kommen immer wieder heim. Auch ich werde ziemlich sicher wieder zurückgehen. Konkrete Pläne dafür gibt es aber noch nicht. Ich habe ja noch ein paar Jahre Studium vor mir.
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