Mit fünfzehn Jahren präsentierte Alois Mühlbacher seine Stimme einem Weltpublikum an der Wiener Staatsoper. Sein Gesangstalent öffnete ihm die Tore zu großen Konzerthäusern und schickte ihn rund um den Globus. Der 22-jährige Sänger erzählt, wie das Weggehen das Gefühl von Heimat bei ihm verstärkte und zieht den einen Strich zwischen Ketchup und klassischer Musik.

Ich kann mich noch gut an meine erste Konzertreise in die USA mit den Florianer Sängerknaben erinnern. Damals war ich zehn Jahre alt. Als ich in das Flugzeug stieg, fühlte ich mich plötzlich beengt. Ich hatte keine Flugangst – ich hatte Angst vor der Ferne von Zuhause.

Ich hatte als Kind noch viele Male Heimweh und das Gefühl, ich würde etwas im Familiengeschehen verpassen. Andererseits konnte ich mir ein Leben ohne das Singen nicht mehr vorstellen. Letztlich habe ich mich für das Leben eines professionellen Sängers entschieden. Meine Tourneen führten mich nach Süd- und Nordamerika, nach Asien – speziell China –, nach Japan, Russland und Südafrika und natürlich durch Europa. Das war der richtige Weg, weil ich das Gefühl von Heimat dadurch noch stärker empfinde, wenn ich nach Hinterstoder zurückkehre. Die Rückkehr war für mich immer paradiesisch.

Mein Lebensmittelpunkt liegt seit zwölf Jahren nicht mehr in meinem Heimatort. Dem Gefühl des Zuhause-Ankommens hat das keinen Abbruch getan. Das heißt nicht, dass in Hinterstoder alle meine Wünsche und Lebensnotwendigkeiten erfüllt werden; aber hier liegt mein „herzliches“ Zuhause, weil meine Familie hier wohnt. Ich fühle mich auch der unglaublichen Landschaft und Natur verbunden. Dieses Zuhause braucht aber Wien, braucht St. Florian, braucht Linz, um komplett zu sein. Es braucht auch all die anderen Orte, an denen ich mich durch musikalische Projekte als Teil einer Gemeinschaft fühle.

2011 stand ich mich zum ersten Mal bei einem großen klassischen Solo-Konzert mit 660 Zuhörern vor Heimpublikum. Nur ein Monat davor kam mir die Idee dazu. Ich wollte vor dieser Bergkulisse musizieren und – das klingt jetzt schrecklich – vielleicht auch ein bisschen zeigen, was ich kann. Dann spürte ich beim Konzert die Begeisterung der Einheimischen und vieler Besucher, die von Auswärts angereist sind. Da es so ein Erfolg war, machte ich das Heimkonzert zur Tradition.

(c) Roman Klementschitz

Seitdem stehe ich jedes oder jedes zweite Jahr in Hinterstoder auf der Bühne oder in der Kirche. Bei diesen Konzerten kann ich mich wirklich auf die Hinterstoderer verlassen. Es ist unglaublich was örtliche Firmen freiwillig schon leisteten, oder wie mich der Bürgermeister bei allen Ideen unterstützt. Auch das schafft ein Gefühl von Zuhause.

Ein Traum von mir war immer, ein Musikfestival in Hinterstoder zu machen. Das Budget wäre sicherlich schwer aufzutreiben – man müsste es versuchen und sich ins kalte Wasser stürzten. Für so viel zusätzliche Arbeit habe ich leider gerade keine Zeit, aber vielleicht kommt das später einmal. Wenn, dann muss so ein Festival auf hohem Niveau passieren. Sonst hat das keinen Sinn. Sonst hat überhaupt nichts einen Sinn. Denn das zeichnet Hinterstoder aus: Qualität.

Wenn man das Glück hatte, etwas von der Welt zu sehen und seiner Leidenschaft nachgehen zu können, kann und soll man vielleicht sogar seinem Heimatort etwas zurückgeben. Es ist allerdings auch nicht so, dass ich meine Konzerte nur für die Anderen gebe – dass muss ich auch ganz ehrlich sagen. Ich wollte immer schon in Hinterstoder musikalisch etwas gestalten, auch den Örtlichkeiten zuliebe, etwa der Kirche, die eine schöne Akustik hat. Genauso kann ich mir vorstellen, dass etwa ein begabter Architekt in seinem Heimatort ein Kunstwerk bauen möchte. Diesen Wunsch sich zuhause zu verwirklichen finde ich ganz legitim.

So ein Projekt braucht von der Führung des Ortes wirkliche Zustimmung. Der Bürgermeister unseres Ortes kommt oft zu meinen Konzerten und zeigt Interesse an dem, was ich tue. Wenn man so etwas spürt, dann wird man natürlich angespornt darin, sein Talent einzubringen. Das allerwichtigste ist, dass man sich angenommen fühlt – alles andere macht man selbst. Aber man will nur nicht abgestoßen werden, sondern wünscht sich, dass die anderen einem diesen Moment vergönnen. Das habe ich gespürt.